Resilienz vs. Vulnerabilität – Aufrechterhaltung sozialer Einrichtungen in Katastrophenlagen
Durch größere und komplexere Lagen werden die Strukturen des Katastrophenschutzes und der Verbände und Einrichtungen der LIGA und anderer Träger, in Rheinland-Pfalz nachhaltig auf die Probe gestellt. Große Flächenlagen, wie im Ahrtal, aber auch länger anhaltende Versorgungsunterbrechungen, (so etwa in Budenheim/LK Mainz-Bingen 2024) sind eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten. Mit der Novellierung des Landesgesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (LBKG) bietet sich jetzt die Möglichkeit neue Fähigkeiten für alle Beteiligten zu etablieren. Die Einrichtungen der sozialen Arbeit versorgen zehntausende Menschen in Rheinland-Pfalz, die Aufrechterhaltung ihrer Betriebsfähigkeit ist essenziell für alle Beteiligten in mehreren Ebenen.
Fähigkeit zur Resilienz stärken
Bislang ist der Katastrophenschutz dabei auf eine schnelle, kurzfristige und punktuelle Hilfe ausgelegt. Auch die Einrichtungen der sozialen Arbeit halten keine oder nur geringe Ressourcen vor, die bei Ausfällen von essenziellen Strukturen (Strom, Wasser, Gas, Lebensmittel etc.) greifen. Diese Lücken gilt es beiderseits zu schließen. Die Einrichtungen müssen dabei eine Resilienz aufbauen, die es ihnen ermöglicht auch ohne externe Hilfe erste Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung der jeweiligen Menschen zu ergreifen. Gleichzeitig muss dem Katastrophenschutz die jeweiligen Einrichtungen und ihre Unterstützungsbedarfe bekannt sein.
Fähigkeit zur Einsatzfähigkeit in den Fokus nehmen
Die Gesellschaft funktioniert, weil Menschen mehr tun als Sie müssen. Auf diesem Grundsatz fußt die Ehrenamtlichkeit als Pfeiler des Katastrophenschutzes. Mit diesem Grundsatz muss aber auch die Funktionalität sozialer Einrichtungen betrachtet und in Einklang gebracht werden. Einsatzkräfte, die durch familiäre Verpflichtungen oder den Wegfall entscheidender Unterstützungsstrukturen, wie einer KiTa nicht einsatzfähig sind, fehlen an entscheidender Stelle. Es muss also auch in Krisenfällen eine, zumindest reduzierte Möglichkeit geben, Kinder und Schutzbefohlene bei Bedarf zu betreuen.
Fähigkeit zur Vernetzung schaffen
Die politische Zuständigkeit für den Katastrophenschutz liegt naturgemäß im Innenministerium. Über das neue Landesamt für Katastrophenschutz muss zukünftig eine Vernetzung mit den Einrichtungen der Sozialen Arbeit ermöglicht werden. Denkbar wäre die Etablierung eines Fachberaters oder einer Landesfacheinheit Soziales, die in Stäben und Leitungsgruppen fachlich unterstützend tätig werden können. Mit der Etablierung solcher Strukturen könnte Rheinland-Pfalz, auch aus der Erfahrung des Ahrtales heraus, eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Einrichtungen mit ihren besonderen Bedarfen aber ggf. auch Ressourcen müssen abgesichert sein, um weitreichende Folgen für die Menschen zu vermeiden. Ein Versorgungsengpass führt so im zweiten Schritt auch zu Ausfällen von Einsatzkräften, die sich ggf. um ihre Angehörigen kümmern müssen. Ein Altenheim bietet dem Katastrophenschutz bei ungewöhnlichen Lagen besondere Herausforderungen, die Versorgung mit verschiedenen Kostformen, die Kühlung von lebensnotwendigen Medikamenten oder die Betreuung von Menschen mit Weglauftendenz oder demenziell Erkrankten sind dabei nur einige Beispiele.
Fähigkeit zur Betriebsfähigkeit ermöglichen
Die Einrichtungen benötigen Konzepte, die es ermöglichen Erhaltungsstrukturen für einen Notbetrieb zu entwickeln und zu etablieren. Dazu gehören insbesondere die Versorgung der Menschen bei Ausfällen der Wasser- oder Stromversorgung, aber auch bei Unterbrechung von Versorgungswegen, wie in der Ahrtalkatastrophe. Zur Umsetzung benötigt es entsprechende finanzielle und strukturelle Mittel. Zusätzlich müssen Dienste die ambulant arbeiten, bei Bedarf über entsprechende Fahrzeuge oder Transportmöglichkeiten verfügen oder gesichert darauf zugreifen können, um die von ihnen zu Versorgenden zu erreichen. Ein ambulanter Pflegedienst ohne Benzin oder nur mit der Möglichkeit einen Querfeldein-Weg zu benutzen, erreicht die Menschen nicht.
Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit fördern
Die erwähnten Fachberater oder -einheiten könnten mit ihrer Expertise und dem Blick für die besonderen Bedarfe in die Strukturen und Arbeiten des Katastrophenschutzes einfließen lassen. Fachberater leisten bereits heute im Katastrophenschutz wertvolle Beiträge in Einsatzlagen und -stäben. Das DRK hat beispielsweise in der Bearbeitung der Ahrtallage mehrfach Mitarbeitende der Fachbereiche Soziale Arbeit in beratender Funktion in die Stabsarbeit involviert.
Fähigkeit zur Ressourcenfreigabe verankern
Vorhandene Ressourcen der Sozialen Arbeit müssen nachhaltig erfasst und nutzbar gemacht werden. So könnten Auszubildende aus sozialen oder pflegerischen Berufen in Krisensituationen von schulischen Veranstaltungen freigestellt werden, um direkt in die Versorgung Schutzbefohlener eingebunden zu werden. Dafür benötigt es entsprechende gesetzliche Freistellungs- und Erstattungsrichtlinien. Leitungen und Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen müssen Krisentrainings durchlaufen, Einrichtungen selbst regelmäßig mit dem örtlichen Brand- und Katastrophenschutz üben, um auf potenzielle Situationen vorbereitet zu sein. Träger von Einrichtungen sollten in der Lage sein, ihre Bedarfe zur Versorgung der Menschen so zu formulieren, dass diese vom Katastrophenschutz angenommen und auch bearbeitet werden können.